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Überlegungen und Thesen zur „revolutionären Konvergenz“

ich arbeite ja seit einiger zeit auch beim pläne blog mit, so dass ich gern ein paar überlegungen anstellen möchte, mit welcher perspektive und mit welchen problemen diese arbeit verbunden ist.

Die Ausgangslage: die „radikale Linke“ als Gesinnungsfamilie

es ist schwer, die bedingungsfaktoren für „linksradikale“ politik(en) zu bestimmen, da sie in der realität alle zusammenwirken. aus anlytischen und darstellungsgründen müssen wir sie aber trennen. fangen wir mit den klassischen „partei“-ansätzen an, egal ob aus stalinistischer, maoistischer oder trotzkistischer tradition stammend. dieser ansatz (man könnte ihn der einfachheit halber auch den „leninistischen“ nennen, mit allen gebotenen vorbehalten) ist inzwischen hoffnungslos in der minderheit und völlig marginalisiert. man könnte diese gruppen auch als die „dinosaurier“-fraktion bezeichnen.

nun wäre es albern, diese gruppen allein aufgrund ihrer grösse (mitgliederzahlen) zu kritisieren, denn die grösse sagt ja nichts über die qualität ihrer aussagen aus. trotzdem muss es einen zusammenhang geben — wie vermittelt auch immer — zwischen politischem einfluss und inhaltlichen positionierungen. das würde konkret bedeuten, dass das konzept der „parteibildung“ [1] als solches (unabhängig von programmatischen differenzen) ein erhebliches „problem“ darstellt; und man kann nicht einfach voraussetzen, dass jeder linke Lenins „Was Tun“ liest und dann ein begeisterter anhänger der avantgardepartei wird.

erschwerend hinzu kommt noch, dass zwischen 1902 und 2016 ja auch ein bissl was passiert ist, so dass die gesellschaftlichen und politischen ausgangsbedingungen nicht mehr so ohne weiteres vergleichbar sind. ging es in der phase vor dem 1. weltkrieg bis (sagen wir) 1945 tatsächlich darum, innerhalb der arbeiterbewegung um unterschiedliche konzepte und vorstellungen zu ringen (bei unstrittig bestehendem ‚klassen-paradigma‚, selbst bei der sozialdemokratie), so stellt sich heute die frage, ob es so etwas wie eine „arbeiterbewegung“ (im historischen sinne des wortes) überhaupt noch gibt.

dieses problem dürfte auch ein entscheidener grund mit dafür sein, dass heutzutage die sog. postautonomen oder „bewegungslinken“ ansätze ein deutliches (numerisches) übergewicht haben. diese differenz bedeutet auch nicht a priori eine „links/rechts“-polarisierung, sondern betrifft mehr die frage nach dem „subjektiven faktor“, also den historischen (materiellen) träger(n) transformativer prozesse.

eng damit verbunden ist ein weiteres problemfeld, was ich mal als das „(sub)kultur“-problem benennen möchte. stark vereinfacht könnte man es so skizzieren: die einzelnen linken gruppen bilden eine „gesinnungsfamilie“, das heisst eine gruppenbindung, die auf gemeinsamen überzeugungen (und sozialen milieus oder szenen) beruht und dadurch auch identitätsstiftend wirkt. dies ist an sich ein ganz normaler psychicher mechanismus. problematisch wird er erst, wenn die verteidigung der gruppenidentität wichtiger wird oder ist als die tatsächlich wahrzunehmenden politischen aufgaben. und dies scheint tatsächlich der zustand zu sein, in dem sich die „radikale linke“ in deutschland befindet.

Gibt es einen gangbaren Weg aus dem (linken) Schlamassel?

keine ahnung! jedenfalls keinen einfachen oder leichten. das scheitern des NaO-prozesses zeigt, trotz anfänglich wirklich guter ansätze, dass zu einem guten konzept noch etwas anderes hinzukommen muss: menschen mit viel willen und einem langen atem. aber auch das allein reicht nicht. ein gewisses mindestmass an übereinstimmung (oder zumindest annäherung) in den „revolutionären essentials“ ist ebenfalls erforderlich. und dann muss noch die (psychische) fähigkeit hinzukommen, kompromisse auszuhalten und eine hohe frustrationstoleranz gegenüber rückschlägen, problemen und misserfolgen. „revolutionäre“ politik ist wahrlich kein zuckerschlecken. und ich frage mich ernstlich, warum es überhaupt noch leute gibt, die sich das antun. 😉

zum Weiterlesen: 

Weltrevolution in der Szenekneipe: https://le-bohemien.net/2013/03/01/weltrevolution-in-der-szenekneipe/

Was wäre dann besser: http://plaene.blogsport.eu/2016/01/23/was-waere-dann-besser/

Na-endlich-Paper der SIB: http://www.nao-prozess.de/blog/neue-antikapitalistische-organisation-na-endlich-worueber-muessen-wir-uns-verstaendigen-und-worueber-nicht/

Das strategische Dilemma der Linken des 21. Jahrhunderts: http://www.trend.infopartisan.net/trd0116/t010116.html

Den Klassen-Begriff diskutieren: https://linksunten.indymedia.org/de/node/163936

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[1] ein möglicher ansatz, das problem der „parteibildung“ handhabbarer zu machen, ist meines erachtens folgender:

„Der entscheidende, das marxistische Denken umwälzende Gedanke in Was tun? ist“ demgegenüber, „daß sich eine Politik nie einfach aus der Klassenbestimmung ergibt, sondern daß – umgekehrt – ein und dieselbe Klassenbestimmung mit verschiedenen, ja einander entgegengesetzten Politiken artikuliert sein kann. Dieser Gedanke bricht radikal mit der Vorstellung, wie wir sie auch bei Marx und Engels in manchen Formulierungen gefunden haben, daß sich der Zusammenhalt und die Organisierung der Arbeiter mehr oder minder aus der ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus selbst ergeben würde. So ist Schluß mit jeder Illusion über ein letztliches Zusammenfallen von Partei und Klasse durch die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft. Die Partei und ihre Politik werden erst zu einem Gegenstand von Theorie.“ (Wieland Elfferding, Klassenpartei und Hegemonie. Zur impliziten Parteientheorie des Marxismus, in: ders. / Michael Jäger / Thomas Scheffler, Marxismus und Theorie der Parteien); zitiert nach: http://arschhoch.blogsport.de/2011/11/21/was-spricht-eigentlich-gegen-lenins-parteitheorie/

man kann diesem ansatz sicher eine gewisse „theorie-lastigkeit“ vorwerfen, ich würde ihn aber alle mal jedem „ökonomistischen determinismus“ (soziale lage = bewusstseinsentwicklung) vorziehen. allerdings viel einfacher wird dadurch die inhaltliche annäherung (oder gar bildung einer „blockorganisation“) auch nicht.

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