Gedanken zur Daredevil-Serie
da ich kein netflix habe, war mir diese serie bislang nicht bekannt. konnte sie jetzt glücklicherweise durch einen kollegen bei disney plus nachholen und war wirklich schwer angetan. die schauspeiler sind absolut überzeugend in ihren jeweiigen rollen und die Machart ist ist Marvel-untypisch ungewöhnlich düster und durchaus auch als brutal in den gewaltszenen zu bezeichnen. ob dieses FSK-rating die ‚botschaft‘ der serie unterstützt, sei dahingestellt, aber zumindest dürfte das publikum etwas ‚erwachsener‘ sein als das, was sonst für das MCU massgebend sein wird.
Daredevil ist quasi der Batman (von DC) für Marvel; allerdings mit einem bedeutenden unterschied. während Batman sich nur auf geld und technologie verlässt, hat Matt Murdock durch seine blindheit besondere fähigkeiten entwickelt. insofern stimmt bei ihm die bezeichnung ‚Superheld‘ mehr als bei Bruce Wayne.
das zentrale thema (wenn man mal von den zwischenmenschlichen dynamiken absieht) ist die alte frage, ob man gewalt gegen menschen anwenden darf, um damit unrecht oder anderes leid abzuwehren. zugespitzt auf die frage, ob die herbeiführung des todes die moralische grenze des menschseins darstellt. da Matt Murdock katholisch erzogen wurde, versucht er zunächst den tod anderer menschen nicht willentlich herbeizuführen. als er aber merkt, dass die Macht vom Kingpin immer grösser wird, denkt er doch darüber nach, ihn zu töten. letztlich entscheidet er sich aber doch gegen diese ‚lösung‘.

Charlie Cox (Bildquelle: wikipedia)
die ganze geschichte von Matt wirkt wie ein einziger Leidensweg (mehrfach konnte ich nicht umhin, in mit einer art christussymbol zu vergleichen). immer wieder zieht es sich schwere verletzungen bei seinen kämpfen zu, die dann hinterher wieder zusammengeflickt werden müssen. (die analogie zur kreuzigung ist unabweisbar)
er tut das eigentlich alles nur, um andere leute zu beschützen (die sich selbst nicht wehren können). da er aber ihm nahestehende gefährdet, tut er so, als ob er sich von seinen freunden distanzieren will. aber je mehr er sich von ihnen entfernt, desto mehr verliert sein kampf gegen Fisk seine eigentliche bedeutung. es gibt ein schönes zitat von Nietzsche, was dieses dilemma auf den punkt bringt:
“Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”
hier wird das problem der ‚dialektik von ziel und mittel‘ angesprochen: welche mittel sind geeignet (oder eben nicht) um das angestrebte ziel zu erreichen. aber es gibt noch etwas tieferliegendes dahinter: niemand kann unbeeinflusst bleiben von dem, was er bekämpfen will. oder anders gesagt: der mörder des tyrannen muss aufpassen, dass er nicht selbst der (nächste) tyrann sein wird. (Walter Benjamin hat in seiner Gewaltkritik darauf hingewiesen, dass jede Revolution [der tigersprung in der geschichte] ein neues rechts- und gewaltsystem etablieren muss. und in film ‚Hero‘ tötet der Held/attentäter [Jet Li] den Kaiser nicht, da er versteht, dass er das reich (alle unter dem himmel) zusammenhalten muss)
für dieses dilemma gibt es wohl kein patentrezept. aber zumindest kann ein halbwegs funktionierendes soziales netzwerk (freundeskreis) die schlimmsten folgen des einflusses von sozio- und psychopathen in schach halten.
und eines kann deutlich als fazit gezogen werde: manchmal braucht man den anwalt des teufels, um der ‚wahrheit‘ näher zu kommen.
„Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht;“ (Goethe)