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Oppenheimer: ein sperriger Film mit viel Gedanken-Sprengstoff

eigentlich hatte ursprünglich gar keine lust auf diesen film. ich habe es weder mit geschichte und schon gar nicht mit naturwissenschaft. und militärthemen sind auch nicht gerade mein hauptinteresse an der welt. aber weil ich gerade zeit hatte und nichts besseres zu tun, dachte ich mir, kannst du drei stunden mit Oppenheimer überbrücken. und dann kann ich wenigstens mitreden, weil ja alle halbwegs filminteressierten darüber reden.

ich hatte eigentlich nichts erwartet und ich gestehe, ich habe ihn in der anfangsphase auch nicht voll konzentriert geguckt. aber je länger ich zusah, desto interessanter fand ich ihn. es ist kein film, den man wie einen Marvel-film einfach wegkonsumieren kann. es ist ein charakterdrama mit einem historischen hintergrund, der im grunde zeitlose fragen nach den grundlagen der menschlichen moral thematisiert.

bevor ich auf das hauptthema[1] zu sprechen komme (den bau der atombombe) muss ich eine kleine politische vorbemerkung machen. ich bin politisch sozialisiert durch kleinere „trotzkistische“ gruppen, die bei konflikten zwischen „imperialistischen“ staaten nicht zwischen „demokratischen“ und „faschistischen“ ländern unterscheiden. zumindest daraus keine konsequenzen für ihre eigene „revolutionäre strategie“ ableiten. darum war es z. B. nicht anstössig innerhalb solcher gruppen, Hiroshima und Nagasaki mit Auschwitz auf eine stufe zu stellen. wenn solche „vergleiche“ überhaupt einen sinn machen (würde ich aus heutiger sicht sagen), dann den, dass tod, sterben und Vernichtung immer gleich schrecklich und grausam sind; aber – und dieses aber habe ich vorher nie bewusst formulieren können – ich würde schon sagen, dass es ein [moralischer] unterschied ist, ob tod und sterben aus [regulären] kriegshandlungen erfolgen oder aus einem industriell organisierten völkermord aufgrund einer äusserlichen zugehörigkeit. das ändert natürlich nichts daran, dass atomwaffen verwerflich sind, aber zumindest kann man nachvollziehen, dass es ein Motiv für den bau der atombombe aus der historischen situation heraus gab [2].

es spricht tatsächlich sehr für Oppenheimer, dass er im bau der atombombe ein moralisches dilemma[3] sah, aber offensichtlich ihren kriegsmässigen einsatz befürwortete. er hätte sie lieber gegen deutschland eingesetzt als gegen japan (wenn man dem film glauben schenken darf), aber erst nach Hiroshima und Nagasaki konnte man die auswirkungen wohl wirklich beurteilen (am eigenen leibe, wenn man das in diesem zusammenhang so sagen darf).

Cillian Murphy spielt den Physiker Oppenheimer (Bildquelle: wikipedia)

in diesem zusammenhang gibt es eine eindrucksvolle szene, in der Oppenheimer vor seinen mitarbeitern den erfolg des Manhattan-Projektes feiert, und während er redet in seinen erinnerungen die bilder von tod und zerstörung auftauchen. das erinnert ein bisschen an Charly Chaplins „Rede an die Menschheit“ („Der grosse Diktator“), wo hinterher die Massen Charly genauso zujubeln wie sie vorher Anton Hynkel zugejubelt hatten.

eine zweite szene, die ich bezeichnend fand, war sein besuch bei Präsident Truman. er wollte seine moralischen bedenken formulieren und Truman sagt ihm, dass es für die leute „scheissegal“ ist, wer die bombe gebaut hat. sie wollen nur wissen, wer sie eingesetzt hat, und das sei er.

beim herausgehen von Oppenheimer sagt Truman noch: „lasst die heulsuse hier nie wieder rein!“

die innere zerrissenheit von Oppenheimer wird aber auch in seinen beziehungen zu frauen deutlich. aber dieses thema erspare ich mir hier. dann würde ich lieber eine eigene psychoanalyse beginnen. 😉

obwohl ich sowohl Emely Blunt als auch Florence Pugh sehr gerne sehe, spielen sie bei Oppenheimer doch eher nebencharaktere.

und bei Robert John Downey Jr. muss man schon sehr genau hinsehen, um den überhaupt zu erkennen.

sehr gut gefallen hat mir allerdings Matt Damon in der rolle des Generals Groves. eigentlich die einzige rolle in dem film, die man als sympathieträger bezeichnen kann.

eine bewertung lasse ich aus, weil dieser film (für mich) ausser konkurrenz läuft.

[1] vordergründig ist das hauptthema natürlich die atombombe, aber genauso berechtigt könnte man sagen, dass es um eine menschliche zerrissenheit geht, die im grunde aus der menschlichen existenz selbst erfolgt und am beispiel von Oppenheimer besonders deutlich wird.

[2] der film betont an mehren stellen, die jüdische herkunft von Oppenheimer. es werden zwar auch seine sympathien für linksgerichtete politische gruppen angesprochen, aber das „jüdisch sein“ bleibt im gedächtnis stärker haften – zumindest war es bei mir so. ich kann aber auch nicht ausschliessen, dass dies eine nachträgliche bewertung aus dem heutigen erkenntnisstand ist, die mit der realen geschichte eher weniger zu hat.

[3] „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“ Ein Zitat, was Oppenheimer zugeschrieben wird, aber in wirklichkeit aus einem alten Hindu-text stammt.

2 Kommentare zu “Oppenheimer: ein sperriger Film mit viel Gedanken-Sprengstoff

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