(Blind und trotzdem mit scharfen Schwert? Kein Widerspruch?)
»Recht ist das Urphänomen irrationaler Rationalität. In ihm wird das formale
Äquivalenzprinzip zur Norm, alle schlägt es über den selben Leisten. Solche
Gleichheit, in der die Differenzen untergehen, leistet geheim der Ungleichheit
Vorschub.« (T. W. Adorno, zitiert nach: Zur Staatskritik von Eugen Pachukanis)
Auch wenn im Grundgesetz das Zensurbot (auch wenn das juristisch nicht dasselbe ist wie Meinungsfreiheit) verankert ist, heisst das noch lange nicht, dass das auch so praktiziert wird. Und tatsächlich muss man dem ‚bürgerlichen‘ Gesetzgeber zu gute halten, dass die Trennung von ‚Meinung‘ und ‚Handlung‘ nicht so hermetisch ist, wie es vlt die liberale Tradition postuliert. Zwar mag diese liberale Trennung gut gemeint sein, aber politisch ist sie eher ’naiv‘. [1]
Der bürgerliche Staat[2] hat ein gehöriges Interesse daran, dass z. B. antimilitaristische Propaganda in der Bundeswehr (=sicherheitsrelevanter Bereich) wie eine (Straf)tat zu behandeln ist[3].
Selbst wenn dies der liberalen Rechtsauffassung widerspricht, wäre es politisch falsch und gefährlich (Illusionen verbreitend), dem bürgerlichen Staat seine ‚eigenen‘ liberalen Rechtsgrundlagen entgegenzuhalten, vielmehr sollte auch klargemacht werden, dass jegliche Rechtssprechung (oder doch zumindest überwiegend) in der bürgerlichen Gesellschaft immer einen Klassencharakter hat [4]. Das politische Ziel (stategisch) kann also nicht die ‚Liberalisierung‘ des bürgerlichen Staates sein, sondern seine Ersetzung durch Organe, die anderen sozialen Interessen verpflichtet sind. Der Gegensatz der (sozialen) Interessen kann letztlich also nicht innerhalb der Systemgrenzen und der ‚bürgerlichen Gesetze‘ (scheinbar ‚wertneutral‘, über den Klassen schwebend, [gesamtes] ‚Staatsvolk‘ umfassend) gelöst werden.
Taktisch und im Hinblick auf politische Prozesse ist es aber notwendig, die bestehenden Widersprüche (auch in den Rechtsauffassungen) auszunutzen und für möglichst grosse (politische) Freiheitsrechte einzutreten. (Die Frage der Haltung zu Rechtspopulismus und faschistische Organsiationen in diesem Zusammenhang lasse ich hier aussen vor, um das Ganze nicht thematisch zu überfrachten. In einem längeren Text müsste dieses Thema aber diskutiert werden)
Die Aussage:
„Der ‚Wert’ einer Meinung, eines Kunstwerks, einer politischen Aktivität etc. ist prinzipiell nicht vom Staat, und das heißt eben auch nicht von einem Gericht nachzuwiegen“ (Karl-Heinz Ladeur, Nochmals: Reformalisierung des Rechtsstaats als Demokratiepostulat?, in: Juristische Schulung 1981)
ist zwar eine liberale (oder auch anarchistische) ‚Nettigkeit‘, die auch von linken im taktischen Sinne genutzt/benutzt werden kann; politisch ist sie aber leider nur als ‚Naivität‘ oder Kinderei (im leninschen Sinne) zu bezeichnen; insbesondere im Angesicht der Realgeschichte der politischen Justiz, namentlich in Deutschland (auch wenn diese durchaus unterschiedliche Ausprägungsphasen hatte).
Nichtsdestotrotz wäre es in einer herrschaftsfreieren Gesellschaft durchaus wünschenswert, wenn dieses Postulat nicht ein ‚Wunschobjekt‘ bleiben würde. Und ich denke, da würde selbst ein Lenin nicht widersprechen wollen. 😉
Verhältnisse gesetzte Wille zum Tausch kann nur durch die
Unterwerfung der Tauschenden unter eine dritte Instanz realisiert
werden: Staatliche Souveränität ist damit notwendige
Existenzbedingung der Warenbesitzer und Warenbesitzerinnen.“ (Gruber/Ofenbauer)
bestimmten Inhalt der Einzelwillen abstrahiert, also diese Einzelwillen
prinzipiell als gleich gültige setzt, gewinnt er seine spezifische – konstitutive
wie prekäre – Verselbständigung gegenüber dem konkreten Einzelnen. Er muß
‚auftreten als ein von einer abstrakten Kollektivperson ausgehender Zwang,
der nicht im Interesse des Individuums, von dem er ausgeht, ausgeübt wird …,
sondern im Interesse aller am Rechtsverkehr Beteiligten‘.“ (Gruber/Ofenbauer)
„Ein Steinwurf ist etwas anderes als ein die Rechtfertigung eines
Steinwurfs (oder die bloße Erklärung, warum manche Leute manchmal
Steinwürfe für sinnvoll halten); ein Schuß ist etwas anderes als das
Motiv für den Schuß.
Naiv ist m.E. NICHT das Beharren auf den Unterscheidung zwischen
Äußerungen und (anderen) Handlungen, sondern vielmehr bloß das Negieren
der Möglichkeit eines Ausnahmezustandes (und ausnahmszustands-ähnlichen
Konstellationen), in denen – bürgerliche und sozialistischen – Staaten
nicht nur Handlungen, sondern auch Meinungen verfolgen (vor-bürgerliche
Staaten haben eh auch im Normalzustand Meinungen verfolgt).“ (aus einer email an mich)
unterschiedlicher Auslegungen bestehender Gesetze ist keine Frage des
Klassencharakters, sondern – wenn überhaupt – unterschiedlicher
Fraktionierungen innerhalb der gesellschaftlichen und politischen
Gruppen und staatlichen Apparate und des jeweiligen Kräfteverhältnisse
zwischen diesen.“ (per email)
ist es unbedingt richtig und notwendig den bestehenden Staat beim Wort
zu nehmen.“ (TaP)
„Rechtsfragen lösen sich nicht vollständig in
Machtfragen auf; das Recht kann [im Großen
und Ganzen] nur herrschaftstabilisierend wirken, wenn nicht in jedem Einzelfall schon
vorab feststeht, daß sich ‚die Macht‘ durchsetzt. Das Recht kann [auch im Sinne der
Herrschenden] nur funktionieren, wenn seine
eigene ‚Rationalität‘ [der Argumentation] /
Funktionsweise nicht [vollständig] von einem
Opportunismus der Macht untergraben wird.“
[5] „… die Vorstellung, natürliche Personifikation von
Staatlichkeit zu sein, ist nichts anderes als die Internalisierung und damit
Subjektivierung des permanenten Zwangs als kapitalproduktives und
staatsloyales Subjekt zu fungieren.“ (Gruber/Ofenbauer)
Zum Weiterlesen:
Zur Staatskritik von Eugen Paschukanis
19 Thesen zum linksunten-Verbot
eine juristische einschätzung des linksunten-verbotes von Detlef Georgia Schulze:
Klicke, um auf 19Thesen_linksunten.pdf zuzugreifen
Inhaltsverzeichnis dazu – auf einen Blick:
http://tap2folge.blogsport.eu/2019/05/07/neu-bei-labournet-de-19-thesen-zum-linksunten-verbot/#more-502
vergleich auch:
http://tap2folge.blogsport.eu/2019/05/07/nicht-nur-linksunten-einige-beispiele-in-denen-es-sich-definitiv-um-vereine-handelt/
auch bei scharf links erschienen:
http://www.scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=69465&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=4587791607
auch gespiegelt: http://www.demokratisch-links.de/40385-2
Das Inhaltsverzeichnis meiner „19 Thesen zum linksunten-Verbot“ als .html-Texte bei scharf-links (vom 12. Mai) und demokratisch-links (vom 13. Mai):
http://scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=69527&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=bbb362b4fc
und
http://www.demokratisch-links.de/zum-linksunten-verbot
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