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Bericht über die FAU-Veranstaltung zur BDS-Kampagne

ich muss zugeben, ich hatte noch nie kontakt zu einem leibhaftigen „anarchosyndikalisten“ und daher war mir etwas flau im magen, als ich dort hinfuhr. 😉

da ich aber die referentin Detlef Georgia Schulze gut kenne und mir ihre positionen zu „israel/palästina“ und „BDS“ „gut“ gefallen, war dann meine neugier schliesslich grösser als die hemmungen. DGS versuchte in ihrem input, eine art „marxistisch/anarchistischen minimalkonsens“ herzustellen, durch den bezug zu den statuten der 1. internationale, als ja bekanntlich „marxisten“ und „anarchisten“ noch zusammen waren. das hauptargument ist dabei, dass es nicht darum ginge, ‚partei zu ergreifen‘ in „nationalen“ konflikten, sondern immer den (internen) „klassenkampf“ [1] in den vordergrund zu rücken. so weit wäre das für mich durchaus eingängig.

leider wurden die didaktisch-methodischen bemühungen von DGS vom auditorium nicht so richtig goutiert. und das lag nicht daran, dass DGS 6- oder 8mal den namen „Lenin“ aussprach (was ein diskutant mit einer gewissen [ironischen] verwunderung bemerkte, was aber auch mit heiterkeit quittiert wurde).

die „enttäuschung“ lag eher darin (so wie ich es verstanden habe), dass erstens nicht klar wurde, in welchem verhältnis die BDS-kampagne zu „gewerkschaftlichen“ [2] handlungsmöglichkeiten steht. und zweitens, warum soll sich eine gewerkschaft überhaupt zu BDS positionieren?

beide fragen haben zumindest aus FAU-sicht eine deutliche berechtigung. für mich als „marxisten“ ist die zweite frage natürlich „kein problem“ [3], die erste verdient aber schon eine genauere betrachtung.

an dieser stelle kommt leider auch eine gewisse konzeptionelle schwäche des inputs von DGS zum tragen. sie kritisierte zwar zurecht, dass in der BDS-kampagne die widersprüche in der palästinensischen gesellschaft nicht thematisiert werden, aber das reicht für eine politische bewertung der BDS-kampagne nicht aus. der kampf ‚der‘ palästinenser für „selbstbestimmung“ (das bedeutet das recht auf einen eigenen staat) ist natürlich unmittelbar mit der „nationalen frage“ verknüpft. wenn man aber — so wie in einigen redebeiträgen von FAUlern — die „nationen“ als „reine konstrukte“ ansieht und man „staaten“ nicht „anerkennen“ würde, dann kann man dem ganzen „israel/palästina“-konflikt auch nicht gerecht werden.

dieses „anti-nationale“ gerede, man kenne nur noch klassen und keine nationen ist in wahrheit die umkehrung von kaiser Wilhelm: er kenne nur noch deutsche und keine parteien mehr. diese form „negativer dialektik“ ist doch von einem theoretischen anspruch aus eher dürftig. [4]

im übrigen war diese „anti-nationale“ argumentation auch gegenüber den anwesenden BDS-unterstützern unwirksam, da auch sie sich darauf beriefen, dass es ihnen nicht um ein „nationales projekt“ ginge, sondern um „menschenrechte“. aber sowohl „klassen“ als auch „menschenrechte“ existieren nicht unabhängig von „nationalstaaten“ (wovon die palästinenser [und die kurden] sicherlich ein lied singen könnten).

nein, der kampf der palästinenser für selbstbestimmung ist „gerecht“. und normalerweise haben marxisten (zumal, wenn sie sich für „leninisten“ halten) auch gar keine grossen probleme damit, „nationale befreiungskämpfe“ zu unterstützen. im falle von „israel/palästina“ gibt es allerdings ein paar besonderheiten, die die sache ungeheuer kompliziert machen. ich will nur ein paar benennen:

(1) zwei völker beanspruchen das gleiche territorium (geographisch vermischte völker)

(2) der „islamismus“ als dominante politische strömung im palästinensischen widerstand

und (3): vor dem hintergrund der „deutschen geschichte“ ist der „israel/palästina“-konflikt auch für viele ([anti]deutsche) „linke“ eine projektionsfläche ihrer eigenen unbewältigten geschichtsaufarbeitung.

dieser letzte aspekt hat allerdings bei der FAU-veranstaltung keine (grosse) rolle gespielt, auch wenn später die diskussion durch die hinzugekommenen BDS-unterstützer emotionaler wurde und (tendenziell) aus dem ruder lief; was aber auch an der schlechten dikussions“leitung“ seitens der veranstalter lag. anarchisten und leitung geht wohl irgendwie nicht zusammen 😉 .

die frage stellt sich also, wenn die palästinenser ihr „selbstbestimmungsrecht“ bekommen/erkämpfen, was passiert dann mit den israelischen juden? natürlich sagen die vertreter der „einstaatenlösung“ [5], dass alle völkerschaften einvernehmlich miteinander leben können. aber wenn gruppen aus dem „antizionistischen“ umfeld schon sagen, dass sich die „dekolonialisierung“ nur auf „nicht-zionistische juden“ beziehe, dann kann einem schon ein bissl schwiemelig werden.

die tatsache, dass Israel ein „unterdrückerstaat“ ist und die palästinenser national unterdrückt werden, rechtfertigt aus marxistischer sicht jedenfalls nicht die anwendung „doppelter standards“.

dies scheint mir auch das hauptproblem der BDS-kampagne zu sein: ungeachtet der frage, ob „boykott“ überhaupt ein sinnvolles mittel ist, betrifft eben ein boykott alle menschen in Israel, egal ob herrscher oder beherrschte oder israelische juden oder palästinenser. diese (zumindest implizite) delegitimierung Israels konterkariert aber eine (zumindest potentiell mögliche) internationalistische solidarisierung der palästinensischen und israelischen unterklassen. [6]

an dieser stelle komme ich zum letzten punkt meines berichtes: die infragestellung der „legitimität“ des staates Israel durch „anti-zionisten“. [7] ich zitiere aus einem text von A. Holberg (den ich ansonsten durchaus schätze. jedenfalls mal früher) über „palästina-solidarität“ aus dem jahre 2014:

„Das Problem“ liegt ja nicht in erster Linie darin, dass z.B. die  aktuelle Regierung Israels „unverhältnismäßig“ auf die Raketen aus Gaza antwortet (was wäre denn „verhältnismäßig?) oder dass in dieser (wie in jeder anderen modernen) militärischen Auseinandersetzung vornehmlich Zivilisten sterben, sondern darin, dass der Zionismus in der historischen Praxis ein Siedlerkolonialismus ist und seine Bluttaten seit 1948 die notwendige Folge dessen sind, dass die Palästinenser nicht akzeptieren können, dass sie vertrieben und unterdrückt wurden und weiter werden. Daraus abgeleitet ist, dass Antizionismus und  Antisemitismus antagonistische Haltungen sind, lebt doch der Zionismus  vom Antisemitismus. Diese Aufklärung tut not, nicht nur, weil aktuell wieder einmal die Antisemitismus-Keule gegen die hiesige Palästina-Solidaritätsbewegung geschwungen wird, obwohl die unbestreitbaren antjüdischen Ausfälle reaktionärer oder intellektuell niedrigbegabter Teilnehmer an der einen oder anderen Demonstration völlig marginal waren, sondern weil diese die ideologische Rechtfertigung gerade auch für den deutschen Imperialismus war und ist,  Israel — diese[r] wichtigste und mächtigste imperialistische Flugzeugträger im Nahen Osten — massiv materiell und politisch zu unterstützen.“

sorry für das lange zitat, aber es ist wichtig, diese „argumentation“ zu verstehen. ich bin jetzt nicht historisch bewandert genug, um die frage zu beantworten, ob der „zionismus“ in der praxis ein „siedlerkolonialismus“ [8] war. ich habe aber dagegen schon deshalb zweifel, weil es ja auch einen ausgeprägten „arbeiter-zionistischen“ flügel gab (paole zion).

und zum zweiten — und das scheint mir das gewichtigere argument zu sein — war ja die gründung Israels eine unmittelbare folge der shoa. man kann sicher darüber streiten, ob die staatsgründung eine „optimale lösung“ war (gegen antisemitismus) und ich sehe auch durchaus die wechselwirkung von „israelischem nationalismus“ und antisemitismus – aber fakt ist nun mal, dass da in der (mindestens) dritten generation leute leben, die sich als „nation der israelischen juden“ verstehen. eine bezeichnung wie „imperialistischer flugzeugträger“ negiert daher die nationale selbstbestimmung der israelischen juden und ist daher — aus marxistischer sicht — nichts weiter als nationalismus/chauvinismus (wenn auch verbalradikal verkleidet). dass auch die tatsache unterschlagen wird, dass Israel eine „klassengesellschaft“ (mit herrschern und beherrschten) ist, sei nur der vollständigkeit halber erwähnt.

die einzige „lösung“ — wenn es überhaupt eine lösung gibt — könnte also nur auf einer „bi-nationalen“, konsensuellen (einvernehmlichen) grundlage erfolgen, die sowohl den islamistischen antisemitismus als auch den israelischen nationalismus überwindet und an die internationalistische solidarität der unterklassen in Israel und Palästina appelliert.

diese aufgabe ist mindestens genauso schwer, wie der kampf der trotzkisten im zweiten weltkrieg, die deutsche arbeiterklasse für eine „proletarische revolution“ zu gewinnen.

aber da für marxisten der hauptfeind immer im eigenen land steht (und darin konvergieren ja auch anarchisten) lässt uns „madame geschichte“ keinen anderen ausweg, und sei er noch so steil und steinig.

mein Fazit aus der Veranstaltung: 

(1) man kann die BDS-kampagne nicht unabhängig vom gesamten nah-ost-konflikt diskutieren

(2) man hätte sich anhand von konkreten texten und zitaten aus der BDS-bewegung mit dieser inhaltlich auseinandersetzen müssen, anstatt einen „historischen“ rückgriff auf einen „marxistisch-anarchistischen minimalkonsens“ zu betreiben, der jetztzeitig gar nicht existiert und vermutlich auch noch nie existiert hat. auch wenn es DGS damit gut gemeint hatte und die überlegung ja auch durchaus was für sich hat. (die ausführungen des IWW-genossen gingen inhaltlich über das dossier nicht hinaus, weshalb ich darauf verzichtet habe, seinen input zu erwähnen.)

(3) wer die „nationale frage“ nicht versteht, sollte besser vom „Israel/Palästina“-konflikt schweigen.


[1] „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ — kommunistisches manifest 

[2] auch eine „anarchosyndikalistische“ gewerkschaft ist eine „gewerkschaft“. es gab zwar einen diskutanten, der sich dafür aussprach, die trennung von politisch und gewerkschaftlich zu überwinden, aber der stammte wohl aus der BDS-unterstützergruppe; und von daher war sein (richtiges) argument wohl eher eigennützig als prinzipiell.

[3] weil ‚alles‘ miteinander zusammenhängt und der klassenkampf nur „international“ erfolgreich sein kann.

[4] wenn die arbeiterklasse immer nur das gegenteil von der bourgeoisie machen müsste, könnte jeder halb-gebildete ein meistertaktiker werden.

„In einer Reihe von Fällen sind die Arbeiter also gezwungen, die praktischen Maßnahmen einer bürgerlichen Regierung nicht nur zuzulassen und zu dulden, sondern sie aktiv zu unterstützen. In neunzig von hundert Fällen setzen die Arbeiter tatsächlich ein Minuszeichen, wo die Bourgeoisie ein Pluszeichen setzt. In zehn Fällen hingegen sind sie gezwungen, dasselbe Zeichen zu setzen wie die Bourgeoisie, es jedoch mit ihrem eigenen Siegel des Mißtrauens gegen die Bourgeoisie zu versehen. Die Politik des Proletariats leitet sich durchaus nicht automatisch aus der Politik der Bourgeoisie ab, indem sie deren Vorzeichen umkehrt (dann wäre jeder Sektierer ein Meisterstratege). Nein, die revolutionäre Partei muß sich in jedem Falle, in der inneren wie in der äußeren Lage, unabhängig orientieren und die Entscheidungen treffen, die den Interessen des Proletariats am besten entsprechen. Diese Regel gilt für Kriegszeiten genauso wie für Friedenszeiten.“ — Trotzki

[5] eine „zwei-staaten-lösung“ halte ich schon aus wirtschaftlichen gründen für illusionär. das wäre nichts weiter als ein palästinensisches „Bantustan„.

[6] ich muss dabei unwillkürlich an den kampf der trotzkisten für revolutionäre verbrüderung der deutschen und französichen „arbeiter in uniform“ innerhalb der deutschen wehrmacht in Frankreich denken. der vergleich scheint mir auf der ebene der schwierigkeiten der politischen bedingungen nicht überzogen zu sein. dies ist auch einer der gründe, warum ich auf jeglichen chauvinismus extrem empfindlich reagiere.

[7] ich möchte an dieser stelle nicht auf die problematik des begriffes „zionismus“ explizit eingehen. ich verweise daher auf den text des „autorenkollektivs“ bei linksunten.indymedia.

[8] „Wir teilen insoweit die Auffassung der Kommunistische Korrespondenz Nr. 1 (1974), S. 19, wo es hieß: Der Zionismus unterscheide sich dadurch vom „klassischen Kolonialismus und Imperialismus“, daß „die Zionisten die palästinensischen ‚Eingeborenen’ weder mittels direkter kolonialer Herrschaft noch indirekt, ‚neokolonialistisch’ ausbeuten wollten. Ihr Ziel war, […] die jüdischen Einwanderer aus aller Welt zu einer Nation zu verschmelzen.“ (Wir interpretieren die Anführungszeichen um „‚Eingeborenen’“ als kritische Zitierung des Kolonialdiskurses. Wir teilen nicht die von der Kommunistische Korrespondenz an der mit dem Auslassungszeichen gekennzeichneten Stelle zum Ausdruck gebrachten Auffassung, daß (von Anfang an) das Ziel der zionistischen Bewegung gewesen sei „die Araber“ zu vertreiben. Die Vertreibungen, die vollzogen wurden, haben sich unserer Überzeugung nach vielmehr im Zuge der Konfliktdynamik – die vielleicht hätte vorhergesehen werden können – ergeben; jedenfalls lebten 2014 in Israel (in den Grenzen von vor 1967; vermutlich + der annektierten Gebiete [Golanhöhen und Ostjerusalem]) ca. 1,7 Mio. AraberInnen (und dies, obwohl die Gesamt-EinwohnerInnenzahl 1948 nur gut 800.000 betrug; die Zahl der in Israel lebenden AraberInnen ist seitdem also stark gewachsen. Auch in den 1967 besetzten Gebieten [ohne Golanhöhen und Ostjerusalem] ist die Bevölkerung stark gestiegen [von ca. 1 Mio. im Jahr 1970 auf ca. 4 Mio. im Jahre 2010;“ —Autorenkollektiv 

zur einschätzung der „vertreibungen“ kann ich mich aber nicht positionieren, da mir dazu die historischen kenntnisse fehlen.

12 Kommentare zu “Bericht über die FAU-Veranstaltung zur BDS-Kampagne

  1. habe gerade auf fb dieses zitat von Erich Mühsam gefunden. ich will jetzt hier um gottes willen keine urschleim-dsikussion über das verhältnis von marxismus und anarchismus führen und Mühsam verwendet auch den „materialismus“-begriff in einem umgangssprachlichen, nicht „philosophischen“ sinne. aber den grundgedanken finde ich nichtsdestotrotz interessant:

    „Wir verabscheuen den Kapitalismus und wir verabscheuen darum auch seine materialistische Lehre, den Marxismus ebenso
    Die materialistische Betrachtungsweise lehrt, dass der Kapitalismus nur werden konnte, was er ist, Ausdruck der modernen Sklaverei, der Entpersönlichung der Menschen, der Unterwerfung des Willens unter den Mechanismus eines nur ökonomischen Getriebes, weil er, zwar nicht theoretisch, so doch praktisch die materialistische Nützlichkeit zum Hebel aller gesellschaftlichen Kräfte machte.
    Ihr Sozialisten aber, sagen die Marxisten, seid den Kapitalisten dadurch noch über, dass ihr sogar die Theorie habt; geht hin und schafft den Sozialismus, indem ihr die materialistische Betrachtungsweise auch eurem Werk zugrunde legt! Konnte den Inhabern der kapitalistischen Macht ein größerer Gefallen erwiesen werden als durch solche Lehre? Sind sie nicht sittlich gerechtfertigt, wenn die Sozialisten die Weltanschauung, auf der ihr verwünschtes System ruht, zum Sockel der eigenen Welt erwählen?
    Die Mittel der Zerstörung eines schlecht befundenen Gesellschaftsbaues mögen von seinen Verteidigern in die Hände der Angreifer gezwungen werden, wie der Kampf gegen Bewaffnete kaum anders als mit Waffen geführt werden kann; wer aber zum Bau einer neuen Gesellschaft die Bausteine der gestürzten benutzen will, der wird zugleich dem alten Geist die neuen Einzugstore bauen. Der Sozialismus hat mit dem Kapitalismus keine Gemeinschaft, nicht in der ökonomischen Struktur noch im ideologischen Inhalt. Dass der Sozialismus an die Stelle des Kapitalismus treten soll, hat seinen Grund nicht in der praktischen Logik zweckdienlicher Ökonomie, sondern im moralischen Gewissen der gerechten Denkart. Wir verabscheuen den Hunger der Armen, und zwar um der Gerechtigkeit willen!
    — Erich Mühsam (1932/33 – Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat)

    vergl. auch von Paul Levi:

    „es ist nicht nur maß und zahl in den dingen; es ist ein geist, der über allem wehen muß und der allein die proletarische revolution erheben kann zu jener geschichtlichen und ethischen größe, in der sie ihr großes ziel vollenden kann.“
    — paul levi, einleitung zu r. luxemburg: zur russischen revolution [1922]

  2. RIO steht jetzt auch „militärisch“ in einer „front“ mit der Hamas:

    „Die Hamas als fast genauso schlimmen Feind der Arbeiter*innenklasse wie den zionistischen Staat darzustellen, bedeutet in der Praxis die Verharmlosung der zionistischen Besatzung und der menschenunwürdigen Behandlung der ermordeten, ausgeplünderten und vertriebenen Millionen Palästinenser*innen. In der Bekämpfung der Besatzungsorganisationen Israels stehen wir im selben militärischen Lager wie die Organisationen des Befreiungskampfes, d.h. wir teilen die Zielsetzung des Sieges über den zionistischen Staat und seine Armee.“
    https://www.klassegegenklasse.org/warum-wir-die-niederlage-israels-und-den-sieg-des-palaestinensischen-volkes-unterstuetzen/

    vergleich dazu Lenin:

    „In bezug auf die zurückgebliebeneren Staaten und Nationen, in denen feudale oder patriarchalische und patriarchalisch-bäuerliche Verhältnisse überwiegen, muß man insbesondere im Auge behalten:

    erstens die Notwendigkeit, daß alle kommunistischen Parteien die bürgerlich-demokratische Befreiungsbewegung in diesen Ländern unterstützen; die Pflicht zur aktivsten Unterstützung haben in erster Linie die Arbeiter desjenigen Landes, von dem die zurückgebliebene Nation in kolonialer oder finanzieller Hinsicht abhängt;

    zweitens die Notwendigkeit, die Geistlichkeit und sonstige reaktionäre und mittelalterliche Elemente zu bekämpfen, die in den zurückgebliebenen Ländern Einfluß haben;

    drittens die Notwendigkeit, den Panislamismus und ähnliche Strömungen zu bekämpfen, die die Befreiungsbewegung gegen den europäischen und amerikanischen Imperialismus mit einer Stärkung der Positionen der Khane, der Gutsbesitzer, der Mullahs usw. verknüpfen wollen;“
    https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1920/06/natfrag.htm

  3. dass die Hamas „islamistisch“ und „antisemitisch“ ist, zumindest darauf kann man sich doch einigen. und sowas gehört — nach lenin — „bekämpft“. tja!

    obendrein erinnert mich das an die zeit, als (fast) die gesamte internationale linke die islamische ‚revolution‘ Chomeinis im Iran unterstützt hatte. bis sie dann im gefängnis sassen oder schlimmeres. damals war die internationale Spartacist Tendenz (iST) tatsächlich die einzige strömung, die vor der theokratie Chomeinis gewarnt hatte.

  4. Antwort von A. Holberg:

    „Der Autor schreibt, einen längeren Artikel von mir aus dem Jahr 2014 zitierend:

    „sorry für das lange zitat, aber es wichtig, diese „argumentation“ zu verstehen. ich bin jetzt nicht historisch bewandert genug, um die frage zu beantworten, ob der „zionismus“ in der praxis ein „siedlerkolonialismus“ [8] war. ich habe aber dagegen schon deshalb zweifel, weil es ja auch einen ausgeprägten „arbeiter-zionistischen“ flügel gab (paole zion).

    und zum zweiten — und das scheint mir das gewichtigere argument zu sein — war ja die gründung Isreals eine unmittelbare folge der shoa. man kann sicher darüber streiten, ob die staatsgründung eine „optimale lösung“ war (gegen antisemitismus) und ich sehe auch durchaus die wechselwirkung von „israelischem nationalismus“ und antisemitismus – aber fakt ist nun mal, dass da in der (mindestens) dritten generation leute leben, die sich als „nation der israelischen juden“ verstehen. eine bezeichnung wie „imperialistischer flugzeugträger“ negiert daher die nationale selbstbestimmung der israelischen juden und ist daher — aus marxistischer sicht — nichts weiter als nationalismus/chauvinismus (wenn auch verbalradikal verkleidet). dass auch die tatsache unterschlagen wird, dass Israel eine „klassengesellschaft“ (mit herrschern und beherrschten) ist, sei nur der vollständigkeit halber erwähnt.

    die einzige „lösung“ — wenn es überhaupt eine lösung gibt — könnte also nur auf einer „bi-nationalen“, konsensuellen (einvernehmlichen) grundlage erfolgen, die sowohl den islamistischen antisemitismus als auch den israelischen nationalismus überwindet und an die internationalistische solidarität der unterklassen in Israel und Palästina appelliert.“

    Dazu ein paar Bemerkungen: 1. mein damaliger Artikel bezog sich auf eine Kundgebung in Bonn und war – auch – deshalb weit von einer umfassenden Behandlung des Palästinakonflikts entfernt. Hinzuzufügen wäre an dieser Stelle der Hinweis auf eine Äußerung des trotzkistischen Autors Isaac Deutscher, der in seinem Buch “Die ungelöste Judenfrage – Zur Dialektik von Antisemitismus und Zionismus“ (engl.: Oxford, 1968; dtsch.: Berlin, 1977) sinngemäß schrieb, dass die Tragik darin bestehe, dass die europäischen Juden von den europäischen Antisemiten – an deren Spitze die deutschen Faschisten – gewissermaßen aus dem Fenster geworfen worden und den Palästinensern auf den Kopf gefallen seien.

    2. ich beziehe mich auf den „realexistierenden“ Zionismus, wie er im Staat Israel Gestalt angenommen hat. Die Frage, wieweit es zionistische linke Strömungen gegeben hat, die sich Illusionen über die praktische Verwirklichung ihrer Vorstellungen gemacht haben, wenn diese nicht ohnehin letztlich „national sozialistisch“ waren, d.h. ihr „sozialistisches“ Konzept explizit nur für die jüdische Bevölkerung in Palästina galt, ist angesichts der historischen Entwicklung relativ irrelevant. Der “Siedlerkolonialismus“, der dem zionistischen Projekt unvermeidlich innewohnt, ist auf die (potentielle) Ersetzung der einheimischen – arabischen – durch eine – wie auch immer definierte – “jüdische“ Bevölkerung gerichtet, wodurch er sich in der Tat vom klassischen Kolonialismus unterscheidet, der auf die ökonomische Nutzbarmachung der einheimischen Bevölkerung gerichtet ist, oder zumindest auf deren weitestgehenden Ignorierung durch die Nutzbarmachung einiger ausgewählten natürlichen Ressourcen ihrer Lebensräume.

    3. die Anerkennung der “Nation israelischer Juden“ und ihres nationalen Selbstbestimmungsrechts setzt die Nichtanerkennung des nationalen Selbstbestimmungsrechts der schon zuvor präsenten arabischen Bevölkerung Palästinas voraus. Sie ist nur vertretbar im Rahmen eines – sagen wir – „zynischen“ Geschichtsverständnisses, das dahin geht, dass Vertreibung, Unterjochung, ja sogar Ausrottung ansässiger Bevölkerungen seit eh und je vorkamen.

    4. es gibt keinen logischen Widerspruch zwischen der Tatsache, dass das zionistische Projekt Ergebnis des modernen Antisemitismus in den europäischen Ländern und in Hinblick auf seine Realisierung speziell auch die Shoa war, und der Einschätzung des Staates Israel als “Flugzeugträger“ dieses gleichen Imperialismus. Richtig ist natürlich, dass Israel nicht nur ein solcher ist.

    5. Ich stimme dem Autor in Hinblick auf seinen Lösungsvorschlag – “konsentueller Binationalismus“ zu. Dass auch das nicht einmal am historischen Horizont aufscheint, ist freilich ein Faktum. Aber die Geschichte zeigt oft unerwartete Wendungen. Eine einfache “Rückeroberung“ Palästinas durch die arabische Welt in ihrem aktuellen Zustand ist jedenfalls weder vorstellbar noch wünschenswert. Die Aufgabe der internationalen Linken ist es m.E., die sozialen Realitäten vor Ort ebenso wie die internationalen ökonomischen und politischen Realitäten im Blick haltend mittels einer erneuten Konzentration auf die Klassenfrage, die eine der Voraussetzungen dafür ist, sie überhaupt erst wieder zu einer gesellschaftlich Kraft zu machen, eine solche Lösung zu propagieren.“

    http://www.scharf-links.de/55.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=61686&tx_ttnews%5BbackPid%5D=20&cHash=1afffda721

  5. Ein notwendiger Nachtrag zu Punkt 3: das gilt natürlich nur, wenn die „Nation israelischer Juden“ ihr nationales Selbstbestimmungsrecht so wahrnimmt, dass es den Palästinensern verwehrt wird (was im Rahmen des zionistischen Projektes unvermeidlich ist, es sei denn, die Palästinenser verzichteten aus irgendwelchen Gründen freiwillig auf die Wiederherstellung ihrer mit der Gründung Israels negierten nationalen Rechte). Ein „binationaler Staat“ (Punkt 5) jedoch wäre einer, in dem beide Nationen gleiche kulturelle und politische Rechte genießen, gewissermaßen also gar kein „nationaler“ Staat im ethnischen Sinn. Israel mit seiner arabischen Minderheit, die zwar israelische Staatsbürger sind, ist so ein Staat nicht, denn diese Minderheit (der es besser geht als ihren arabischen Schwestern und Brüdern in den erst 1967 besetzten Gebieten) ist gegenüber den jüdischen Israelis gesetzlich und praktisch benachteiligt.

  6. kommentar von DGS-TaP zu einem bericht in der jungle world zur FAU veranstaltung:

    „In dem Jungle World-Artikel heißt es u.a.:

    „Die Freude der Moderation darüber, dass in einem anarchosyndikalistischen Rahmen Schulze »sieben Mal Lenin« zitiert habe, ­wurde jedoch dadurch geschmälert, dass das Wort Antisemitismus an diesem Abend nicht häufiger als drei Mal fiel – davon bereits zwei Mal im Kontext mit der Nennung des AG-Namens. Wo die ‚Leninistin‘ Schulze Antisemitismus stillschweigend als Rassismus ­kategorisierte, tat der Privatmensch Richter den Israelboykott einfach als ‚Quatsch‘ ab.“

    1. Auch wenn die Veranstaltung von der Antisemitismus-AG der FAU veranstaltet wurde, war die Frage der Veranstaltung nicht vor allem, ob die BDS-Kampagne antisemitisch ist. Vielmehr war das Ziel der Veranstaltung, sich allgemein „kri­tisch mit den Zie­len der BDS-​​Kampagne au[zu]s­ein­an­der­set­zen“ (s. Ankündigungstext im obigen Blog-Artikel).

    Dessen ungeachtet trug Mark Richter (wohl zustimmend) die bejahende Antwort der IWW Rostock auf die im Jungle World-Artikel angesprochene Frage vor:

    „Dies steht unserer Auffassung nach in einem engen Zusammenhang mit dem von Nathan Sharansky formulierten ‚3-D-Test‘, um eine Kritik am Staat Israel dahingehend zu überprüfen, ob sie sich antisemitischer Argumentationsmuster bedient. Sharansky spricht hierbei von folgenden Eckpfeilern: Dämonisierung, doppelte Standards und Delegitimierung.
    All das scheint uns in der Resolution zur Unterstützung der BDS-Kampagne gegeben. So zum Beispiel wenn Israel ethnische Säuberungen und eine Apartheid-Politik unterstellt wird, im besonderen Maße wenn Menschenrechtsverletzungen der palästinensischen Autoritäten unerwähnt bleiben und letztlich ein Boykott nicht nur israelischer Produkte, sondern beispielsweise auch des akademischen Betriebs gefordert wird, ohne dabei die Interessen und Kämpfe der israelischen Lohnabhängigen zu berücksichtigen.
    Eine solche Resolution stärkt in keinster Weise den solidarischen Kampf der ArbeiterInnen überall auf der Welt, sondern begünstigt eine Entsolidarisierung und unnötige Spaltung der ArbeiterInnenbewegung.
    Daher distanzieren wir uns mit aller Deutlichkeit von derlei Boykott-Kampagnen gegen israelische Produkte und der Delegitimierung Israels zugunsten anti-emanzipatorischer Kräfte. Wir fordern alle Wobblies auf es uns gleich zu tun.“

    http://iwwrostock.blogsport.eu/2013/08/26/distanzierung-bds-kampagne-dissociation-bds-campaign/

    2. Ich habe mich – wie in der Veranstaltungs-Einladung (s. obigen Blog-Artikel) angekündigt – darauf beschränkt, zu begründen:

    „warum die BDS-​​Kampagne keine Per­spek­tive für die Über­win­dung von Natio­na­lis­mus, Klassen-​​ und Geschlech­ter­wi­der­sprü­chen in der israelisch-​​palästinensischen Gesell­schaft bie­tet.“

    3. Insofern habe ich auch nicht Antisemitismus unter Rassismus subsumiert, was ich auch dann nicht gemacht hätte, wenn ich auf diese Frage eingegangen wäre.

    4. In der befußnoten Langfassung meines Vortrags-Skriptes, das ich bei Gelegenheit veröffentlichen werde, heißt es u.a.:

    „[…], beschränke mich auf die Frage, ob es für AnarchistInnen und MarxistInnen (und An­archosyndikalistInnen als Teilmenge der ersteren oder weitere Strömung zwischen beiden) richtig ist, selbst die BDS-Kam­pagne (wie sie insbesondere in dem internationalen Aufruf definiert ist) zu unterstützen.
    Dies bedeutet zugleich: Ich diskutiere hier weder, ob es richtig ist, mit der BDS-Kampagne im Rahmen von breiten, linken Bündnissen zusammenzuarbeiten noch, ob die BDS-Kampagne antisemitisch ist oder deren Aufruf antisemitische Formulie­rungen enthält. Nicht, dass letztere Frage [*] etwa nebensächlich wäre – nur scheint mir zum einem, daß etwas nicht allein schon deshalb richtig ist, weil es immerhin (vielleicht) nicht antisemitisch ist, und zum anderen, daß sich viele linke Diskussi­on über Antisemitismus deshalb als unfruchtbar erweisen, weil sich nicht einmal auf eine gemeinsame Definition des Diskus­sionsgegenstandes geeinigt werden kann. Insofern möge es der Diskussion förderlich sein, wenn ich hier auf andere Aspekte fokussiere.

    [*] Zu dieser Frage hieß es in dem – in FN 2 genannten – Text von Achim Schill, Peter Nowak aus dem vergangenen Jahr u.a.: ‚Trotz verschiedener anderer Auffassungs- und Terminologie-Unterschiede hinsichtlich des israelisch-palästinensischen Konflikts (die wir hier aus Platz- und Zeitgründen nicht ausführen können) sind wir uns einig, daß eine einseitige – und das heißt: militärische –, inner-kapitalistische Abschaffung Israels durch die palästinensische Seite des Konflikts Nationalismus ist, der – wie gesagt – mit dem Marxismus unvereinbar ist. […]. Darüber hinaus tendiert jedenfalls DGS dahin, den Wunsch nach Vorab-Abschaffung Israels (vor allen anderen Staaten) nicht nur als falsch, sondern auch als antisemitisch zu charak­terisieren. Zwar ist nicht jede Kritik an Israel und auch nicht jede falsche Kritik an Israel antisemitisch, aber es ist nicht er­sichtlich, wie eine Position, die ausschließlich den sich als ‚Jewish people’ verstehenden Menschen, das Recht auf einen eigenen Staat abspricht, sich überzeugend von Antisemitismus distanzieren könnte; […].: (https://linksunten.indymedia.org/de/node/177137)“

    5. Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß die „Veranstaltung alsbald von einer Handvoll alerter BDS-Aktivisten […] gekapert“ wurde (weiteres Zitat aus dem Jungle World-Artikel) – auch wenn die Moderation durchaus etwas straffer hätte erfolgen können. Vielmehr hielt die handvoll BDS-AktivistInnen Schaufensterreden zur allgemeinen Lage in Israel/Palästina, ohne auf die Argumente der beiden Inputs einzugehen (was auch nicht verwunderlich war, da die BDS-AktivistInnen überwiegend zu spät kamen) und ohne darzulegen, warum aus deren Sicht der Lage die BDS-Kampagne eine unterstützenswerte Sache sei – dies hatte ich auch in meinem Abschluß-Statement bei der Veranstaltung gesagt; womit m.E. alles gesagt war, was zu den nämlichen Schaufensterreden zu sagen war. –
    Ein erheblicher Teil des Publikums hatte die Schaufensterreden im übrigen mit vorzeitigen Verlassen der Veranstaltung beantwortet, was nicht gerade auf Begeisterung von den Schaufensterreden hindeutete.“

    quelle: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2017/07/20/fr-den-28-7-berlin-gewerkschaftliche-solidaritaet-statt-boykott-diskussionsveranstaltung-zur-bds-kampagne/#comment-24719

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